Unter einer grossen Fichte, wuchs seit einiger Zeit ein kleines
Tannenbäumchen.
Es zwängte sich zwischen Dornen und anderen stärkeren Bäumchen
dem Licht entgegen.
„Aus dir wird nie was werden, du kleiner Zwerg“, sagte die
Fichte zum Tannenbäumchen.
„Dich werden wir noch erdrücken“, lachten die Dornen
und schlangen sich immer fester um das Bäumchen.
„Du bist ein Nichtsnutz“, erklärte stolz die schön gewachsene
und starke Blautanne.
Eines Tages setzte sich ein kleines Mädchen auf einen Baumstamm.
Es schaute sich die Bäumchen an und träumte vor sich hin.
Es stand auf, strich mit seinen kleinen Patschhändchen liebevoll
dem Tannenbäumchen
über die Nadeln.
„Ich hab dich lieb, du bist schön!“ so sprach das Mädchen mit
dem Bäumchen.
Die andern Bäume waren sprachlos und erzürnt.
Als das Mädchen gegangen war, sprach die Fichte empört:
„Bild dir ja nichts ein, das war nur die Rede eines kleinen,
dummen Kindes.
Niemand würde sagen, dass du schön bist“.
Die Tage vergingen, eisige Kälte bedeckte das Land und bald
schon
tanzten dicke Schneeflocken um die Wette und setzten sich sanft
auf den Wald.
An einem frühen Morgen hörten die Bäume und Dornen schon von
weitem ein Jubeln und Lachen.
Da sprang und hüpfte das kleine Mädchen an der Hand seines
Vaters.
„Schau Papa, das hier, das ist es!“
Der Vater schüttelte den Schnee von diesem kleinen
Tannenbäumchen.
„Mein liebes Töchterlein, du hast gut gewählt.
Wir werden aus diesem Bäumchen das schönste Weihnachtsbäumchen
machen,
das du je gesehen hast.“
So kam es, dass an Weihnachten das Tannenbäumchen liebevoll
geschmückt
mit bunten Kugeln, leuchtenden Kerzen und vielen liebevollen
Kleinigkeiten
die Herzen von vielen Mitbewohnern eines Wohnheims für Menschen
am Rande der Gesellschaft, erfreute.
Feierlich erklärte der Vater:
Ihr Lieben, ihr seht dieses Bäumchen ist nicht perfekt.
Es ist zu klein und krumm gewachsen und ihm fehlen Äste.
Doch heute ist es das schönste Bäumchen, das ihr je gesehen
habt.
So wie dieses Bäumchen von meinem Töchterchen liebevoll
mit den schönsten Dingen verziert worden ist,
so wird Gott euch einmal das schönste Kleid anziehen.
Er hat euch lieb, auch mit euren Ecken und Kanten,
auch wenn ihr nicht perfekt seid.
Er liebt euch so sehr, dass er seinen Sohn in diese Welt
geschickt hat.
Darum feiern wir heute Weihnachten.
So wie dieses Bäumchen im Wald stand, so stehen wir alle vor
Gott.
Fleckig, krumm und fehlerhaft.
Doch so wie meine Tochter dieses Bäumchen ausgewählt hat,
so hat Gott uns erwählt. Er hat uns allen Jesus geschickt.
So wie meine Tochter die Hand zum Bäumchen ausgestreckt hat,
so streckt uns Jesus die Hand hin.
Willst du sie ergreifen?
Er wird dich mit dem schönsten Kleid schmücken
und so wirst du dann vor Gott stehen.
Unter Tränen erhob sich ein alter Mann in zerlumpten Kleidern.
„Ja, ich will!“ sprach er zitternd aber mit bestimmter Stimme.
Nicht lange dauerte es, dass einer dem andern folgte.
Ein Glanz war in diesen Augen der Alten und eine Schönheit,
die all' ihre dreckigen Kleider überstrahlte.
Jubelnd schrie das Mädchen:
Papa, jetzt ist Weihnachten!
Anna Wälti
Die ihn aber aufnahmen und an ihn glaubten,
denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu sein.
Johannes 1,12