Gedichte 21


Wie ein Morgenlicht


Ich wünsche dir nicht ein Leben ohne Entbehrung,
ein Leben ohne Schmerz, ein Leben ohne Störung.
Was solltest du mit einem solchen Leben?
Ich wünsche dir aber,
dass du bewahrt sein mögest an Leib und Seele.
Dass dich einer trägt und schützt
und dich durch alles,
was dir geschieht, deinem Ziel entgegenführt.

Dass du unberührt bleiben mögest von Trauer,
unberührt vom Schicksal anderer Menschen,
das wünsche ich dir nicht.
So unbedacht soll man nicht wünschen.
Ich wünsche dir aber,
dass dich immer wieder etwas berührt,
das ich dir nicht recht beschreiben kann.

Es heisst Gnade.

Es ist ein altes Wort, aber wer sie erfährt,
für den ist sie wie ein Morgenlicht.

Man kann sie nicht wollen und erzwingen,
aber wenn sie dich berührt, dann weisst du:
Es ist gut.

Jörg Zink





Ich wage es


an mich selbst zu glauben:
an meinen Drang nach Reife,
an meine Liebesfähigkeit,
an meine Begabung zur Freundschaft,
an meine entschiedene Ausdauer,
an meine immer neue Hoffnung.

Aber auch wenn ich versage und Fehler mache,
wenn ich unnötig verletze,
wenn ich anderen die Freiheit nehme,
wenn ich kleinkariert werde,
auch dann will ich glauben,
dass neben der Zerstörung
auch das Lebensförderliche in mir wohnt,
und ich will es hervorlocken
mit meiner Hoffnung und meinem Mut.

Ulrich Schaffer




Sich mutig offen zeigen


So soll euer Licht vor den Menschen leuchten,
damit sie eure guten Werke sehen und
euren Vater im Himmel preisen.
MATTHÄUS 5, 16

Sei nicht ängstlich
oder so bescheiden
dass du deine Talente
dein Wissen und Können
deine Erfolge
dein Glück
dein Herz
verbirgst

Es gibt auch in deinem Umfeld
nicht nur Neider
sondern viele Menschen
die sich über
dich mit deinen guten und schönen Seiten
von Herzen freuen
und sich dir verbunden wissen
Lass ihnen dein Licht leuchten

Gedicht von Klemens Nodewald (1941)

Nach Tätigkeiten als Religionslehrer, Jugendseelsorger,
Gemeindemissionar und Gefängnisseelsorger übernahm
Nodewald die Leitung der Ausbildungskommunität der
Redemptoristen in Würzburg.
Dieser Text ist aus seinem Buch..
Aus dem Vertrauen leben".




Meine Hoffnung


Mir ist es bisher wegen angeborener Bosheit und Schwachheit unmöglich gewesen,
den Forderungen Gottes zu genügen.
Wenn ich nicht glauben darf,
daß Gott mir um Christi willen dies täglich beweinte Zurückbleiben vergebe,
so ist es aus mit mir.
Ich muß verzweifeln.
Aber das laß ich bleiben.
Wie Judas an den Baum mich hängen, das tue ich nicht.
Ich hänge mich an den Hals oder Fuß Christi wie die Sünderin.
Ob ich auch noch schlechter bin als diese, ich halte meinen Herrn fest.
Dann spricht er zum Vater: "Dieses Anhängsel muß auch durch.
Es hat zwar nichts gehalten und alle deine Gebote übertreten.
Vater, aber es hängt sich an mich.
Was will’s! Ich starb auch für ihn. Laß ihn durchschlupfen."
Das soll mein Glaube sein.

Martin Luther