Gedichte 20


VERGEBEN UND VERGESSEN?

Wir wollen Vergebung,
weil wir vergessen wollen;
Gott aber vergibt uns,
damit wir uns erinnern –

wie sehr er uns beschenkt,
indem er uns
bedingungslos annimmt,
wie wenig wir uns
von den anderen unterscheiden,
die wir sonst so leicht verurteilen,
und wie weit unsere
Vorstellung von uns selbst
von der Wirklichkeit entfernt ist.

So wird uns unsere Schuld
also nicht vergeben,
damit wir wieder
ganz die Alten sein können,
sondern damit wir Gott,
den anderen und uns selbst
neu und anders begegnen.

Der Sinn der Vergebung
liegt nämlich nicht darin,
dass wir wieder besser dastehen,
sondern dass wir
Gott gegenüber dankbarer,
anderen gegenüber barmherziger
und uns selbst gegenüber
wahrhaftiger werden.

Hans-Joachim Eckstein






DU!


Du, den ich so sehr brauche,
aber den ich nie missbrauchen will!
Du, der du für mich notwendig bist,
aber doch viel mehr als nur die Not
in meinem Leben wendest!
Du, ohne den ich nicht sein kann
und mit dem ich nun immer sein darf!

Dir möchte ich mich völlig zuwenden,
um ohne jeden Vorbehalt offen
und ungeschützt vor dir zu stehen.
Dir will ich nicht nur viel oder alles,
sondern mich selbst schenken –
der du mich so vorbehaltlos
angenommen und beschenkt hast.
Dir gehöre ich zu und wünsche,
niemandem anders mehr zu gehören.

Dich will ich erkennen und verstehen,
so wie du mich von Anfang an geliebt
und – besser als ich selbst – verstanden hast.
Dich möchte ich stets
in meinen Gedanken haben
und in mein ganzes Leben einbeziehen.
Dich, sage ich –
auch wenn ich noch oft inkonsequent
und schwach sein werde –,
dich, Christus, brauche ich nicht nur,
dich liebe ich!

Hans-Joachim Eckstein







Ein starker Glaube zeigt sich nicht am kraftvollen
und selbstbewussten Auftreten,
sondern in der Fähigkeit, sich Schwachen
zuzuwenden,
ohne sie zu erniedrigen,
auf Fragende einzugehen,
Zweifelnde zu begleiten,
ohne ihnen die eigenen Lösungen
aufzuzwingen,
Hilflosen so zu helfen,
dass sie nicht noch hilfloser werden,
Unsichere zu ermutigen,
ohne ihnen ihre eigene Verantwortung
abzunehmen.
Kurzum, die Stärke des Glaubens 
erweist sich in der Fähigkeit, 
mit der Schwachheit anderer 
verantwortlich und liebevoll umzugehen.

Hans-Joachim Eckstein




Künstler: Alexander Jansson


Wunschtraum

Ja, du hast recht.
Du hast wirklich recht,
solange du
auf deinem Stuhl sitzenbleibst.

Aber wenn du aufstehst
und dich auf einen anderen Platz bemühst,
zum Beispiel auf meinen,
nur zum Spass vielleicht,

dann siehst du die Sache anders
und unter neuen Blickwinkeln
und merkst, dass auch andere
Augen im Kopf haben.

Ja, du hast recht.
Du hast wirklich recht.
Einmal möchte ich das von dir
von meinem Platz aus hören.

Detlev Block
Theologe und Schriftsteller




Streitworte


streitworte
führen glitschige stufen hinab
finden treffsicher
die wunden punkte

heilworte
sind schwer
zu finden

am ende
kehren wir
unter erlösendem
gelächter
die scherben zusammen

Christine Ruppert